Sich positiv vom Kulturgut Buch trennen | Gastbeitrag

Dies ist ein gastbeitrag von Michael, der sich seit zwei Jahren intensiv mit dem Thema Minimalismus beschäftigt und hat dabei entdeckt, dass er im Inneren schon immer ein Minimalist war, dies aber früher kaum ausgelebt hat. Das hat sich geändert und in diesem Gast Beitrag berichtet er von seinem erfolgreichen Versuch seinen Buchbestand innerhalb eines Jahres von 800 auf 150 zu reduzieren.

Michael Grampp - BlogMichael lebt als Deutscher seit knapp 10 Jahren in der Schweiz in der Nähe von Zürich und arbeitet in der Forschung. Dort beschäftigt er sich unter anderem intensiv mit der Sharing Economy, wodurch er noch mehr das Teilen von Gütern und Dienstleistungen schätzen gelernt hat. In der digitalen Welt ist er ebenfalls eher minimalistisch unterwegs und betreibt keine eigene Webpage, eigenen Blog und ist auch nicht auf der Zeitverschwendungsmaschine Facebook unterwegs. Eine Nachricht schicken? Das geht natürlich, am besten an mgrampp@gmx.ch

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Sich positiv vom Kulturgut Buch trennen

Jeder kennt diese Herausforderung, egal ob man Minimalist ist oder nicht: sich von Büchern zu trennen ist verdammt schwierig. Mit Büchern verbindet man Erinnerungen, Emotionen und auch häufig spezielle Erlebnisse. Viele Bücher die man gelesen hat haben einen Bezug zu einer bestimmten Lebensphase. Und die einzelnen Geschichten, insbesondere Romane, an die man sich nach Jahren immer noch erinnert, da sie einen so fasziniert und uns temporär aus dem Alltag entführt haben. Und dann gibt es noch die Fachbücher. Hier dominiert eine andere Bindung. Das ganze Wissen das in diesen Büchern steckt und dass ich mir immer noch nicht angeeignet habe, das brauche ich doch sicher mal wieder. Und nicht vergessen, der hohe Preis, wäre doch schade das jetzt zu entsorgen. Und dann gibt es noch die Dutzenden von Kochbüchern. Klar, es gibt alle Rezepte inzwischen auch kostenlos online, aber ist es nicht praktischer mit dem Buch neben dem Herd ein Festmahl oder einen Kuchen vorzubereiten? Ja und die ganzen Reiseführer, Erinnerungen an so wundervolle Urlaubstage. Wer weiss, vielleicht fahre ich ja doch nochmal nach Island oder mache eine Radtour durch Albanien.

Ich hatte jahrelang ein schlechtes Gewissen Bücher zu entsorgen. Was war das Ergebnis? Mein Bücherbestand wuchs und wuchs. Vor zwei Jahren hatte ich dann ca. 800, fünf Bücherregale.

Dann habe ich eine Radikalkur durchgezogen mit Erfolg. Da ich nicht zu den Extrem-Minimalisten gehöre die gar nichts mehr brauchen war mein Ziel innerhalb eines Jahres den Bestand auf ein Regal zu minimieren.

Der erste Schritt war relativ einfach und sollte für fast jeden machbar sein. Ich bin die oben beschriebenen vier Kategorien durchgegangen und habe wie folgt aussortiert:

Belletristik: Jedes Buch, dass ich seit zehn Jahren (wahlweise fünf) nicht mehr gelesen hatte entsorgen (Bibliothek oder Altpapier). Das gilt auch für Bücher die ich nie gelesen habe, davon hat jeder einige im Schrank und glaubt mir, die meisten werdet ihr nie lesen.

Fachbücher: Gleiche Vorgehensweise, aber Zeitraum abhängig vom Fachgebiet. Das Excel Handbuch kann man getrost nach zwei Jahren bereits entsorgen oder auf Online-Recherche umstellen. Ein Medizinlexikon hat eine längere Lebensdauer. Aber auch hier kritisch prüfen, was ich bereits alles online bekommen kann. Lexika braucht man eigentlich gar keine mehr im Bücherschrank wenngleich dies für Besitzer der Encyclopædia Britannica tragisch ist. Mein Mitleid. Wer in einem Büro arbeitet und dort Platz hat kann auch dort seine Fachbücher deponieren. Vielleicht hat man Glück und jemand leiht es aus ohne es zurückzubringen. Sollte man mal seinen Job wechseln oder gekündigt werden, einfach dort als Dankeschön lassen.

Kochbücher: Beliebte Geschenke meist von Freunden die keine Ahnung haben was man sonst schenken könnte. Statistiken belegen, dass Deutsche und Schweizer (sicher auch unsere österreichischen Freunde) seit Jahren immer mehr Geld für Küchen inklusiv Zubehör und Bücher ausgeben, Kochshows gucken aber immer weniger selbst kochen. Kritisch hinterfragen wie oft man nach Rezepten aus welchen Büchern wirklich kocht. Nur die behalten die man wirklich regelmässig (mindestens ein Mal monatlich) nutzt. Wenn man nicht gerade Vollzeitmutter oder –vater mit grosser Familie ist sind das definitiv weniger als 10 Kochbücher. Den Rest entsorgen. Oder verschenken wenn man sich unbeliebt machen will.

Reiseführer: Alles was nicht mehr aktuell ist entsorgen. Der Kunstreiseführer Florenz hat sicher eine längere Daseinsberechtigung als der Stadtführer von Peking aus dem Jahr 2005. Aber wann besuche ich mal wieder Florenz? Bin ich jemand der immer wieder an die gleichen Orte fährt? Dann lohnt sich das aufheben eventuell. Wenn man wie ich meist andere Orte und Länder besucht dann eher nicht.

Nach dieser ersten Phase konnte ich meinen Bestand schon fast halbieren.

Nun begann aber der schwierige Teil, was tun mit dem Rest, hier musste nochmals gut die Hälfte weg. Hier habe ich folgende Trick angewendet den ich absolut empfehlen kann.

Ich habe mir ein virtuelles Budget für „Bücherwiederkäufe“ angelegt. Ich legte jeden Monat 50 Franken (ca. 45 Euro) auf die Seite bis ich einen Betrag von 300 Franken angespart hatte. Kann man auch mit einem Sparschwein machen, aber als Minimalist ist ein virtuelles Sparschwein doch besser. Dieser Geldbetrag ist ausschliesslich dafür reserviert, dass ich mir Bücher die ich entsorgt habe wieder kaufen kann wenn mich die Sehnsucht und Panik packt. Die Betonung liegt auf „kann“. Ob ich diese Bücher physisch oder elektronisch erneut kaufe ist zweitrangig denn ihr werdet dies sowieso kaum machen, das verspreche ich euch. Aber zu wissen, dass man jederzeit diese Bücher wiederbekommen kann, wenn man will, und auch noch Budget dafür hat ist eine Erleichterung und der ganze Trick dabei.

Jetzt musste ich nur noch die entsprechenden Bücher auswählen. Es ist wichtig hierzu eine Liste zu erstellen, denn ich will ja wissen welche Bücher ich entsorgt habe und wieder kaufen „darf“. Ich habe bei den Büchern jeweils geprüft, ob ich diese problemlos als E-Book bekomme. Bei 90% war dies der Fall. Fast alle Bücher waren auch gebraucht physisch zu kaufen, meist extrem günstig. Das erleichterte mir die Auswahl und die Trennung enorm. Es gab bei meinen Büchern vielleicht nur ca. 20 die vergriffen waren und nicht als E-Book existierten.

Innerhalb von vier Wochen habe ich dadurch nochmals den Bestand um ca. 300 Bücher reduziert, meist Belletristik und Fachbücher, die anderen Kategorien waren bereits stark reduziert. Die Liste mit diesen Büchern habe ich ausgedruckt und zu den restlichen Büchern in meinem verbleibenden Regal gelegt. Damit kann ich jederzeit prüfen welche Bücher ich denn vermissen könnte. Das war vor 9 Monaten. Und wisst ihr wie viele Bücher ich seitdem wiedergekauft habe? Eines, und dies als E-Book für 9.99 Euro.

Wie gehe ich mit Neukäufen um? Nach Möglichkeit nur elektronisch kaufen. Falls nicht kommt mir nur dann ein neues Buch ins Haus wenn ich ein anderes physisch entsorge und auf meine Liste setze. Und was mache ich mit geschenkten Büchern? Das kann ich doch keinem Schenker antun. Oh doch, die meisten wissen sowieso nach ein paar Monaten nicht mehr was sie euch geschenkt haben. Und falls die Frage doch kommt wo das Buch ist, sagt einfach ihr habt es der Kinderabteilung eines Spitals gespendet oder der JVA damit die Jungs und Mädels hinter Gitter auch mal was Vernünftiges zum Lesen bekommen.

Warum hat diese Methode bei mir funktioniert? Der Trick ist, dass ich ein festes Budget für Nachkäufe habe und auch die Gewissheit habe die entsorgten Bücher jederzeit wieder zu bekommen. Da hat es „klick“ in meinem Kopf gemacht. Das war genug um meinen Bücherbestand nochmals drastisch zu reduzieren. Will ich noch weiter reduzieren? Nein, dass dann doch nicht, dafür ist mir das Kulturgut Buch doch zu wichtig. Und optisch gibt ein schönes Bücherregal ja auch was her. Ein Regal genügt mir aber für diese optische Stimulanz.

Solltet ihr meine Methodik anwenden würden mich eure Erfahrungen sehr interessieren.

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15 Gedanken zu “Sich positiv vom Kulturgut Buch trennen | Gastbeitrag

    • Der schwarze Obelisk von Remarque. Fand ich das beste Buch das ich von Remarque gelesen habe. Im nachhinein hätte ich vielleicht von meinen paar Lieblingsautoren immer mein Lieblingsbuch zumindest behalten sollen. Aber egal, gab es problemlos gebraucht zu kaufen und war innerhalb einer Woche bei mir. Hätte es auch elektronisch gegeben, aber dreifacher Preis.
      BG
      Michael

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      • Was sind denn die anderen Lieblingsautoren? (Ich glaube mir pesönlich wär’s den dreifachen Preis wert gewesen… aber nur deshalb, dass ich dann keinen neuen physischen Platz dafür hergeben muss.)
        Herzlich
        Monika

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        • Von den folgenden Autoren habe ich mehr als ein Buch behalten: Capote, T/K/H Mann, S Lenz, T Bernhard, Scott Fitzgerald, J Steinbeck, Kafka, Böll, M Frisch, E Kästner, G Soros, W Buffet, J Rogers, Michael Lewis, Scott Adams ( Dilbert!). Der Rest ist ein Sammelsurium aus Einzelbüchern.
          BG
          Michael

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  1. Ich habe mich vor ca. einem Jahr auf einen Schlag von ca. 2000 Büchern getrennt, nachdem ich wöchentlich 2-3 Bücher kaufte und meine Bibliothek liebte. Es hat mir fast das Herz gebrochen. Ich ersetze die Bücher nach und nach durch e-books und pdf-Papers.

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  2. Interessante Taktik. Ich kaufe auch fast nur noch E-Bücher nach. Da die ganze Familie alle Bücher vermischt stehen hat, weiß ich gar nicht, wie viele ICH selbst noch habe. Aber ich hab Lust bekommen, der Frage nachzugehen. Viele Grüße, Marlene

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  3. Hallo Michael,
    Für mich als Bücherliebhaberin ein interessanter Artikel.
    Doch Du hast eine Kategorie vergessen, die einen Großteil meiner Bücher ausmacht: Kunstbücher mit tollen Abbildungen. Fotobände, deren Fotos die Seele erfreuen. solche Bücher kannst Du nicht als E-Book speichern. Meine Kunst- und Fotobücher geben mir Trost in harten Zeiten, erfreuen mit ihren Bildern mein Auge und meine Seele. Darüberhinaus dienen diese mir immer wieder zusammen mit meinen Museums- und Ausstellungskatalogen als Recherche-Material.
    Und da ich, als Reisebloggerin, auch den Vergleich von gestern und heute hochinteressant finde, sind mir selbst die ältesten Reiseführer von Wert.
    Nur Belletristik kann ich weggeben.
    So lange der Platz reicht, könnte ich mich nicht wirklich so dramatisch von Büchern trennen wie Du das gemacht hast.
    Beste Grüße
    Ulrike

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    • Da hast du natürlich recht Ulrike. Kunstbände sind noch ein spezieller Fall und elektronisch sicher keine Alternative. Fotobücher hatte ich nur vier und diese auch alle behalten da sie von einem sehr guten Freund sind und er Fotograf ist, sind also seine Bücher. Wäre dann auch etwas respektlos die zu entsorgen. Auch habe ich 5 weitere Bücher die Freunde geschrieben haben aufgehoben, da hat man auch einen anderen Bezug dazu.
      Beste Grüsse
      Michael

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  4. Ich verstehe nicht, warum es vielen Menschen ausgerechnet bei Büchern immer schwerfällt, diese wegzugeben. Mir macht das überhaupt nichts aus. Obwohl auch ich an bestimmte Bücher bestimmte Zeiten/Erinnerungen geknüpft habe, aber die sind ja durch das Weggeben der Bücher nicht weg. Ich hab mich auf einem Schlag von allen Büchern getrennt: entweder verkauft oder in den Bücherschrank gestellt oder in den Papiermüll.
    Und jetzt leihe ich nur noch in der Bibliothek aus und freue mich jedes mal darauf, dort stöbern zu können.

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  5. Ich hatte und habe beim Ausmisten auch immer den Deal mit mir selbst es nachkaufen zu dürfen falls ich es vermisse. Dafür habe ich allerdings kein extra Sparkonto oder so, weil ich meistens schon weiß dass ich es nicht mehr will. Und tatsächlich, bei all den Sachen die ich bis jetzt aussortiert hab (nicht nur Bücher) habe ich noch keine einzige vermisst oder nachgekauft 🙂

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  6. Hallo, ich will das schlechte Wetter auch wieder nutzen und finde den Artikel als Anstupser gut. Wobei ich sowohl bei Büchern, als auch DVDs nachsehe, ob sie notfalls zu besorgen sind. Neues kaufe ich als ebook, Rezensionsexemplare verlose oder verschenke ich über meinen Blog. Ich habe mir die Skipper App heruntergeladen und da kommt nur hinein was ich behalte. Am Ende habe ich dann eine Bestandsliste (hoffe ich). Viele Grüße Kerstin

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    • Das Skipper App kannte ich noch gar nicht. Eben gelesen was es ist und klingt in der Tat sehr spannend für Bücherfans. Danke für den Tipp!
      BG
      Michael

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  7. Hallo!

    Ein sehr interessanter Beitrag und vor allem Ansatz. Ich arbeite seit einem halben Jahr an meinen Bücherregalen und habe mir die Challenge gestellt in 7 Tagen 7 Bücher auszusortieren. Das ziehe ich seit Anfang Oktober erfolgreich durch. Sind jetzt keine Unmengen, aber er Bestand hat sich deutlich gelichtet!

    Das erste Ziel hatte ich schnell erreicht, nur noch in einem Raum Bücherregale zu haben 🙂 Aber jetzt wird es eher zäh, weil ich mich immer schwerer trenne. Noch geht es. Schön wäre es, wenn ich ein Jahr durch halte, dann hätte ich meinen Bestand vermutlich halbiert. Also geschätzt halbiert, wirklich gezählt habe ich nie.

    Deinen Budgetansatz finde ich spannend, beim nächsten Rundgang werde ich darüber nachdenken, ob es beim Aussortieren für mich einen Unterschied macht.

    lg
    Maria

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  8. Danke für deine Beitrag.
    Meine Bibliothek ist seit zwei Jahren auf ein für mich erträgliches Maß geschrumpft, indem ich zunächst nur die Bücher verkauft und verschenkt habe, die ich wie du nie wieder lesen wollte und gelesen hätte. Mit diesem ersten Schritt fiel es mir leichter, auch weitere Bücher wegzugeben.
    Mein Motto war: Für ein neues Buch geht mindestens eins, am besten zwei.
    Dein Trick mit dem Nachkaufbudget ist toll.
    Ganz ohne Bücher lebe ich nicht. Aber Bücher vorwiegend auszuleihen, belastet meinen Bücherschrank nicht mehr.

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