#Minimalismus – Königswege und Karmapunkte

Sieben-Stufen-Loslassen

Was bringt die meisten Karmapunkte?

Wenn ich mir überlege, welche Wege es gibt, mich von Dingen zu trennen, dann entsteht im Kopf schnell eine Hierarchie. Die eine Art nehme ich spontan als „besser“ wahr als die andere. Ich versuche das mal in Worte zu fassen:

WEGWERFEN bringt natürlich ganz wenig Karmapunkte, denn das ist echte Ressourcenverschwendung. Hier wird sich keine Mühe gegeben, ob etwas hätte repariert werden können oder wenigstens in Teilen noch weiterzuverwerten bzw. es in Gänze irgendwie anders zu nutzen gewesen wäre…

VERKAUFEN bleibt irgendwie im kapitalistischen Grundmuster kleben. Wer versucht, möglichst viel Geld mit einem ausrangierten Gegenstand zu machen, will sich davon doch hoffentlich nichts Neues kaufen…? Der Frust, für etwas nur noch wenig(er) Geld (als man selbst dafür einst hergeben musst) zu bekommen, ist dabei oft entlarvend…

SPENDEN klingt erstmal edel, ist aber auch ganz schön „von oben herab“: Ich spende in der Regel in dem Bewusstsein,  dass ich es mir leisten kann, weil ich mehr hab als andere – und das soll bitteschön auch so bleiben!

VERSCHENKEN ist etwas anderes als Spenden! Ein Geschenk wirkt dabei erst einmal wie die höchste Stufe des „Loslassen“ – denn was gibt es schöneres…? Doch wir sind immer noch im Meins-Deins-Modus. Und üben übers Schenken durchaus auch Macht aus, wenn wir es sind, die entscheiden, wer es uns wert ist, unser Geschenk zu bekommen. Wer schenkt, erwartet übrigens viel häufiger eine Gegenleistung (und sei es Liebe und Dankbarket) als zugegeben wird…

TAUSCHEN kann eine alternative Form des Wirtschaftsens darstellen, das hängt davon ab, ob nur direkt eins gegen das andere getauscht wird, oder ob man auch asynchron und ohne direkte Bezugnahme aufeinander etwas zum Tausch bereit stellt, ohne darauf zu achten, ob man unmittelbar etwas mit vergleichbarem Wert zurück erhält.

TEILEN heißt, etwas nicht mehr komplett als meines beanspruchen, sondern es gemeinschaftlich zu nutzen. Besitz loswerden ist das Eine, Besitzdenken aufzugeben das Andere.

Wer tauscht oder teilt, verringert nicht unbedingt seinen Besitz (und ist damit kein Minimalist?), lässt aber auf andere Art und Weise vom Besitzdenken los und ermöglichst eine alternatve Warenwirtschaft. Deshalb ließe sich die obige Grafik sogar noch ein bisschen weitertreiben. 😉

Ist Minimalismus ein Kind des Kapitaismus?

Ist Minimalismus ein Kind des Kapitaismus?

ETWAS GAR NICHT ERST ANSCHAFFEN, es gar nicht erst besitzen – weder im Kollektiv (teilen) oder temporär (tauschen) – gilt ja als Königsweg des Minimalismus: Fortwährendes Auskommen mit wirklich wenig Besitz. Etwas gar nicht mehr haben WOLLEN…

Was ist eigentlich die soziale Währung, wenn ich nichts mehr zum Teilen, Tauschen, Verschenken, Spenden, Verkaufen und Wegwerfen habe? Das schreit ja förmlich nach einem weiteren Artikel. 😉

10 Gedanken zu “#Minimalismus – Königswege und Karmapunkte

  1. Mir gefällt Deine Grafik. Klar, in gewisser Weise ist Minimalismus eine ‚Antwort‘ auf Kapitalismus, und kann nur als Luxuserscheinung unter bestimmten Umständen existieren. Vor 200 Jahren, als Leute durchschnittlich 300 Gegenstände besaßen (ein Grossteil davon wurde vermutlich geteilt) gab es ja nur wenige Leuten, die minimalisierten. 10,000 Gegenstände (ist glaube ich die durchschnittliche Zahl unserer Besitztümer) kann man (vermutlich/einfacher) nur in einem kapitalistischen System anhäufen.
    Wegwerfen/Verkaufen/Spenden ist sehr viel einfacher als Verschenken/Tauschen/Teilen/NichtWollen habe ich so festgestellt, trotz INet. Eine Frage der Prioritäten? Krempel loswerden/individuell freier sein oder Gesellschaft verändern?

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  2. Weise gesprochen, Dina!

    Die Mühen des Wieder-Loswerdens als Luxusproblem – gefällt mir. 😉 Genau so erlebe ich das zurzeit (und es sind ja erst die Anfänge) auch: Ich ertappe mich zum Beispiel dabei, dass ich Dinge lieber zu Geld machen möchte, statt sie einfach zu verschenken oder zu spenden. Und ich finde, dass es ganz schön mühsam ist, Dinge loszuwerden, weil ich ja erstmal angemessene Lösungen dafür finden muss – und oft, wenn ich hätte, etwas irgend wohin zu bringen, ist dort geschlossen. Also stressen mich plötzlich wieder Öffnungszeiten, die ich durch den reduzierten Konsum gerade losgeworden bin. 😉 Warum Minimalismus so lange dauert, hatte ja auch Julia letztens schön beschrieben: http://www.minimalistisch-leben.de/warum-dauert-minimalismus-so-lange/

    Einigen wir uns doch darauf, dass auch die Veränderung des individuellen Lebensstils zu gesellschaftlichen Veränderugnen führt – wenn nur genügend mitmachen. Darum heißt die Minima Muse ja auch „Kreativer Konsumverzicht im kollektiven Selbstversuch“…

    Viele (!!!!) Grüße! 🙂

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  3. Individueller Lebensstil und gesellschaftliche Veränderung, ja.

    Ich verkaufe im Moment nichts mehr, was ich ‚ausmiste‘. Vielleicht, weil es derzeit nicht so viel und vor allem nichts größeres abzugeben gibt. Trotzdem zwei Gedanken dazu: Ich will die wenige freie Zeit, die ich habe, lieber anders verbringen. Und: Ich verschenke oder spende, und bemerke, dass sich das auf meine Kaufentscheidung auswirkt. Ich bewusster kaufe und mehr ‚Nein‘ sage, weil das Weggeben mir keinen Profit einbringt und es mehr weh tut.

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  4. hm also „Tauschen“ steht bei mir gefühlt noch unter Verschenken und Spenden – schließlich bekommt man ja was dafür; aber eben kein Geld, wie beim Verkaufen.
    Ich verschenke allerdings auch meistens anonym (also zB. über die Givebox), von daher entfällt eigentlich das von-oben-herab des Spendens und die Gegenleistungserwartung des Verschenkens.

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  5. Hallo MajKa, ich glaub, ich war da mit dem Schenken jetzt auch recht „streng“ – wollte einfach mal den Fokus darauf legen, dass mit dem persönlichen Schenken im klassischen Sinne eben auch viel „Macht“ über den Besitz im Moment des Loslassens ausgeübt wird – ich eben nicht einfach hergebe, egal, wer es bekomtmt. Ich mag zurzeit auch die Idee des anonymen Schenkens am allerliebsten und mach mich demnächst auf die Suche nach Give Boxen. Leider gibt es in Hamburg zurzeit keine, soweit ich weiß, aber auf der nächsten Altonale sollen Neue gebaut und dann aufgestellt werden (den Link such ich nachher noch raus).

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  6. Ich empfinde diese Hierarchie nicht so (ist aber interessant zu lesen!). Es kommt eben immer auf den Einzelfall an. Selbst wegwerfen kann u.U. die einzige Möglichkeit sein, wenn Dinge so veraltet sind, dass man sie niemandem mehr zumuten kann (kaputte / abgenutzte Klamotten, Technikteile, IT-Bücher zu Themen, die niemand mehr braucht).
    Mit Schenken übe ich auch nicht Macht aus, wenn es mir darum geht, das Teil loszuwerden und ich das auch kommuniziere. So hatte ich in einer Zeit häufiger Umzüge mal genug, schon wieder viele Bücherkisten zu packen. Also hab ich mir ein paar zum Behalten rausgesucht und den großen Rest konnten sich alle Gäste nach Belieben von den Regalen nehmen – es hat beide Seiten nur gefreut!
    Tauschen kann ich nicht, denn ich weiß meist nur, was ich loswerden will. Jede Gegengabe wär mir nur wieder eine Last – es ist ja schier unmöglich, jemanden zu finden, der gerade das abgeben will, was ich vielleicht wirklich brauche (wie etwa die nächste sehr spezielle Tintenpatrone für den Drucker).

    SPENDEN finde ich ganz wunderbar und hab selber eine recht großformatige Spendenaktion bei Betterplace gestartet:
    Formulare verstehbar machen – ein Übersetzungsprojekt
    Damit kann man wirklich was bewegen! Zum Glück wird im reichen DE viel gespendet – auch und gerade von Menschen, die nicht wirklich VIEL haben. Dass es ein gutes Gefühl ist, etwas zu spenden, finde ich voll in Ordnung. Ich spende auch aus Begeisterung und Bewunderung für gewisse Aktivitäten – wo wäre da ein „von oben herab“?
    Teilen ist toll, setzt aber eine Struktur voraus, die es ermöglicht. Z.B. zusammen wohnen… oder beim Car-Sharing eben ein Unternehmen, das das organisiert. Immer noch neigen Menschen dazu, Gemeinschaftseigentum deutlich weniger zu pflegen als eigenes – traurig aber wahr!

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  7. Interessante Sichtweise, liebe Dörte. Ich lese in letzter Zeit öfter, dass einige Minimalisten auch in Tauschen, Spenden, Schenken etwas Schlechtes sehen und damit so ihre Probleme haben. Aber meiner Meinung nach kommt es immer auf die Intention hinter dem Handeln an. Ich sehe darin nichts Verwerfliches, etwas zu spenden, wenn man was zu spenden (= mehr als jemand anders) hat und spendet, um jemandem zu helfen, und einem das Befriedigung verschafft. Oder wenn man schenkt und sich über die Freude des anderen freut. Oder selbst darin, Dinge wieder zu verkaufen, die man selbst nicht mehr haben will. Mit dem Geld kann man sehr nützliche Dinge tun. Man könnte es für Bedürftige spenden, aber genau so richtig finde ich es, es für sich selbst zu verwenden. Wir dürfen uns selbst auch lieben und uns was gutes damit tun (mit dem Verkaufserlös vieler meiner Bücher und DVDs habe ich mir eine Saison Chorbeiträge finanziert – eine Saison voller schöner Erlebnisse, Gemeinschaft und Musik). Wir Minimalisten tun eine Menge, indem wir uns über Neuanschaffungen Gedanken machen statt gleich loszurennen und zu kaufen. Wir überlegen uns, welche Auswirkungen unser Handeln für die Um-Welt hat. Wir müssen uns selbst doch nicht ins (finanzielle) Elend stürzen, weil es nicht allen auf der Welt so gut geht wie uns. Damit ist auch niemandem geholfen. Mit-Gefühl statt Mit-Leid.

    Übrigens habe ich grad erst bemerkt, dass ich hier auf diesem Blog verlinkt bin. Herzlichen Dank. Ich habe mich schon gefragt, wie die Leser von hier zu mir gekommen sind. Ich freue mich sehr. Sandra

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  8. Liebe Sandra,

    na klar verlinke ich auf ein so tolles Blog wie Deines! 😉 Deinen Ansatz des Minimalismus der Fülle mag ich sehr und Du hast mich durch die Lektüre Deiner Artikel bereits zu vielem inspiriert – und mir auch Mut gegeben, ein eigenes Blog zu starten. 🙂

    Deine Kritik an der sehr strengen Sichtweise, die ich hier eingenommen habe, verstehe ich. Ich bin auch keineswegs eine Asketin und halte Selbstfürsorge und eine liebevolle Haltung gerade auch sich selbst gegenüber für grundlegend wichtig! Ich bin halt nur auch immer wieder eine Systemkritikerin und finde es wichtig zu erkennen, was uns der Kapitalismus so ganz nebenbei noch unterjubelt an inneren Haltungen. So und nur so meinete ich meine Kritik an der Kapitalistischen Seite des Konzepts „Spenden“.

    Grundsätzlich möchte ich mit einer moralischen Bewertung vorsichtig sein und bin beiweitem kein „Gutmensch“. 🙂 Ich werde versuchen, in Zukunft noch genauer zu begründen, in welchem Kontext ich etwas kritisiere.

    Sonnige Grüße
    Dörte

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  9. „Gar nicht erst anschaffen“ war auch meine Erkenntnis neulich, dass mir das mittlerweile am liebsten ist. Ich bin übrigens eine Wegwerferin, weil ich nicht noch mehr Zeit investieren will, wenn ich was loswerden will. Bei mir muss das schnell gehen. Entscheidung treffen und weg. Nicht erst umschichten auf eine andere Etage und später wiederfinden. Ich will damit niemanden belästigen. Ich nehme auch nix von Anderen, was ich dann für sie entsorge, weil sie keine Entscheidungen treffen
    können. Das ist weit verbreitet. So Leute gehen mir auf den Keks. Tonne auf! Hat ausgedient. Braucht eh niemand. Ich sehe das nicht verwerflich. Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Ausgewählte Dinge habe ich verkauft. 3 Sachen von 1 000 im letzten Jahr. Und eins verschenkt per Anzeige.

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  10. Gar nicht erst anschaffen hat auch für mich die höchste Priorität. Und ich überlege auch, ob etwas noch irgendwie oder von irgendwem weiter verwendet werden kann, bevor ich es weg schmeiße. Dabei berücksichtige ich allerdings auch, welchen Aufwand ich dazu betreiben muss.

    Insgesamt ist es mir wichtig, dass die nicht benötigten Sachen verschwinden und dies nicht zu einem Nebenjob wird, primär zählt für mich das Ergebnis.

    Mir jetzt ständig ein schlechtes Gewissen machen zu müssen, wenn ich etwas weg schmeiße, fände ich dann eher als Belastung und wäre mir ein zu hoher Anspruch an mich selbst. Hängt aber sicherlich immer auch damit zusammen, was die stärkst Motivation für den Minimalismus bei jedem einzelnen ausmacht.

    Zu Schenken und Spenden fällt mir noch ein, dass damit quasi die Verantwortung für einen Gegenstand an jemanden anderen weitergegeben wird, der die Sache vielleicht auch nicht braucht und sich dann selbst wieder Gedanken muss, was er damit macht…

    Eine Frage habe ich noch: Was sind (für dich) Karmapunkte?

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